Aigul Akhmetshina, Royal Philharmonic Orchestra & Daniele Rustioni
Aigul
專輯 · Klassik · 2024
Aigul Akhmetshina ist eine begnadete Geschichtenerzählerin: Diese Gabe der Mezzosopranistin scheint bei jedem ihrer Auftritte durch. Sie wird auch deutlich, wenn sie sich an ihre Jugend in einem abgelegenen Dorf in der Republik Baschkortostan erinnert oder an ihren außergewöhnlichen Weg von der verarmten Teenagerin zum Star auf den führenden Opernbühnen der Welt.
Akhmetshinas selbstbetiteltes Debütalbum „Aigul“ ist um ihre Paraderollen herum angelegt. Sie singt berühmte Arien; gibt Georges Bizets Carmen, Jules Massenets Charlotte, Vincenzo Bellinis Romeo sowie Gioachino Rossinis Cenerentola und Rosina. Akhmetshina schließt mit „The Nightingale“, einem bezaubernden Stück baschkirischen Volksguts. „Das hat mir meine Großmutter immer vorgesungen“, erzählt sie Apple Music Classical. „Es war eines ihrer Lieblingslieder. Es braucht Freiheit. Was uns zu ‚Carmen‘ führt. Carmen braucht Freiheit!“
Dank ihres angeborenen Talents, harter Arbeit und einer guten Portion Glück wurde sie mit 19 Jahren das jüngste Mitglied im begehrten Jette Parker Young Artists Programme am Londoner Royal Opera House. Im Frühjahr 2024, acht Jahre später, hat sie bereits den Rekord als jüngste Carmen in Covent Garden und an der New Yorker Metropolitan Opera aufgestellt. Sie zeigte ein tiefes Verständnis für die tragische Charlotte im „Werther“, gab ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen in Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ und festigte ihren Spitzenplatz in der Reihe der Rossini-Interpret:innnen.
„Ich glaube, dass alle Menschen ihre Zeit haben“, sagt sie. „Es ist nie zu spät und nie zu früh. Alle sind auf gewisse Weise ihrem eigenen Schicksal unterworfen. Man kann aber nicht vorhersagen, wie sich die Karrieren von Sänger:innen entwickeln. Es erinnert an russisches Roulette. Man weiß nie, ob die Kugel eine:n erwischen wird.“ Dabei gibt Aigul Akhmetshina zu: Es sei nicht allzu lange her, dass auch für sie die Möglichkeit einer Karriere als Sängerin in weiter Ferne zu liegen schien.
„Als Kind habe ich immer gesungen. Es war schlicht etwas, das ich nicht kontrollieren konnte. Die Musik war immer da. Ich bin halb Tatarin, halb Baschkirin, also lernte ich unsere baschkirischen Volkslieder, die eine ähnliche Flexibilität erfordern wie Belcanto-Koloraturen.“ Im Dorfchor entdeckte Akhmetshina den klassischen Gesang. „Mit zwölf Jahren wusste ich, dass ich diesen Weg einschlagen würde, obwohl ich noch nie eine Oper gesungen oder gar gesehen hatte.“ Zwei Jahre später zog sie in die Hauptstadt von Baschkortostan, Ufa, und studierte dort Gesang bei Neilya Yusupova.
Akhmetshinas Fortschritte gerieten ins Stocken, nachdem sie beim Vorsingen für ein Stipendium an der Moskauer Gnessin-Musikakademie durchgefallen war und anschließend bei einem Autounfall ihre Stimme verlor. „Nach dem Unfall öffnete ich meinen Mund und wollte singen. Der erste Ton klang wie der eines verwundeten Tieres. Es war entsetzlich! Man begreift, dass die ganze Arbeit, die man geleistet hat, umsonst war.“ Ihr Lehrer unterstützte sie auf ihrem Weg der Rekonvaleszenz und bezahlte den Flug nach Moskau zur New Opera World Competition. „Ich verhaute die hohe Note in Rossinis ‚Una voce poco fa‘. Den ersten Preis bekam ich trotzdem.“
David Gowland, der künstlerische Leiter des Jette Parker-Programms, wurde auf die sensationelle junge Stimme aufmerksam und lud sie zu einer Audition ein. Aigul Akhmetshinas Dorf half ihr, die Flugkosten nach London zu finanzieren. „365 andere sangen dort ebenso vor – absolut verrückt. Ich hatte noch nie zuvor auf einer Opernbühne gestanden, und nun sollte ich in Covent Garden vorsingen.“ Sie kam in die engere Auswahl von Jette Parker und bestand ein zweites Vorsingen. Damit war ihr der Weg zum Ruhm geebnet. „Meine Lebensgeschichte ist wie die von Aschenputtel! Ein Teil von mir denkt: ‚Oh, das ist unglaublich.‘ Und ein anderer Teil denkt: ‚Nun, ich beweise immer wieder mein Durchhaltevermögen.‘“